Abschlussrede von Frank Leger
26 Jahre, Konstruktionsmechaniker, im Februar 2015
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Absolventen, liebe Mitauszubildenden, liebe Mitarbeiter des RKI, liebe Gäste,
wer von uns hat das nicht auch schon erlebt: Der Arbeitstag hat gerade erst angefangen, man hat sich zu seinem Arbeitsplatz begeben, tut so, als würde man arbeiten und macht ein guten Eindruck, wenn der Ausbilder kommt.
Und dann, wenn die Luft rein ist, wird nach links und rechts geschaut, noch schnell ein "Schnack" aufgenommen und sich über das neuste Spiel oder über die neuen Klamotten unterhalten. Dabei schwankt der Blick immer hin und her, um natürlich alles Wissenswerte zu erfassen - vorausgesetzt es hat nichts mit der Ausbildung zu tun. Ist doch viel interessanter und man hat ja noch sehr viel Zeit ...
Irgendwann denkt man sich, nach intensiven Auseinandersetzungen mit dem Kollegen über die Zutatenzusammensetzung eines neuen Getränkes, dass es ja schon Mittag sein muss, immerhin hat man ja so viel getan. Die Uhr wird fokussiert und man wird eines besseren belehrt: "So lange noch ..."
Ja manchmal will die Zeit einfach nicht vergehen. Sie scheint still zu stehen und auch beim dritten Mal auf die Uhr Schauen, bewegt sich der Zeiger gar fast mit einer negativen Geschwindigkeit weiter. Aber es gibt auch jene Momente, wo wir anders denken. Heute zum Beispiel, wenn wir zurückschauen und mal kurz in unser Inneres gehen und mal ganz ehrlich, dann sind doch die Jahre wie im Flug vergangen.
Wie war das damals eigentlich, als wir hier im RKI eintrafen?
Von außen wirkte alles ungewohnt, fremd - ja teilweise wirkte es sogar kalt. Wir traten durch das Eingangstor, vollgepackt mit unseren Sachen, mit Koffern und Tüten und natürlich auch mit unserem ganz eigenen speziellen Gepäck. Manche waren so vollgepackt, dass sie sich kaum auf den Beinen halten konnten.
Es war ein mühsamer Weg bis hierher, aber wir wussten auch, dass dieser hier nicht aufhört. Ich kann vielleicht nicht für alle Absolventen sprechen, aber vielleicht stellvertretend für den ein oder anderen.
Bevor ich hierher kam, begleitete mich ein ständiger Kampf, jeden Tag aufs Neue. Ich bewegte mich in einer nicht enden wollenden Spirale, ohne jede Aussicht auf Hoffnung. Tropfen von Traurigkeit übergossen mich auf dem Meer der Einsamkeit und fast ziellos trieb ich vor mir her, geplagt von immer stärker werdenden Stürmen.
Ich vermisste den blauen klaren Himmel und das Licht, die Wärme. Ich suchte ...
Es ist nicht immer einfach, wenn man sich doch ein Stückchen anders fühlt, verletzt wird und Vertrauen missbraucht wird. Manchmal werden einem vom Schicksal Steine in den Weg gelegt, die man alleine nicht bewältigen kann. Man schafft es einfach nicht, aus eigener Kraft aufzustehen.
Doch hier empfand ich nach langer Zeit wieder so eine Art Geborgenheit, eine Hand, die sich nach meiner ausstreckte und mir auf die Beine half. Für uns alle war es nicht unbedingt angenehm, weil wir doch oft verletzt worden waren und unser Vertrauen kaputt war und jeder seine individuellen Eigenheiten hat. Aber diese Offenheit, die ich hier erlebt habe, von den Menschen hier, ist was ganz Besonderes!
Jeder von uns hat seine Zeit gebraucht, um sich zu entwickeln, der eine mehr, der andere weniger, manchmal auch mit Rückschlägen und mit weiteren Kämpfen. Und war das Feuer am Lodern, dann war auch immer einer in der Nähe und versuchte es zu löschen.
Wenn ich mich heute mit damals vergleiche, dann kann ich mit großer Überzeugung sagen: "Ja, ich hab mich verändert und zwar positiv."
Ich hab wieder Lebensfreude gefunden, bin offener und kommunikativer geworden, hab neue Hobbies und versteckte Talente entdeckt und vor allem neue Menschen, neue Freunde gefunden, die einem Kraft geben und meinem Alltag Farbe verleihen.
Jede Medaille hat zwei Seiten und natürlich gab es hin und wieder Ungereimtheiten oder Sachen, die einen persönlich angegriffen haben - aber keiner will einem was Böses.
Keiner legt einem absichtlich Steine in den Weg ... nein, im Grunde genommen wollen sie doch nur das Beste für uns.
Nun bin ich schon fast am Ende, höchstwahrscheinlich hat mich meine Nervosität schon innerlich aufgefressen und ihr seid schon vollkommen gelangweilt oder starrt schon gierig nach dem Stück Torte, aber dennoch möchte ich noch ein paar letzte abschließende Worte sagen:
Und zwar als erstes zu euch, liebe Mitarbeiter des RKI: Psychologen, Sozialarbeitern, Krankenschwestern, Mitarbeiterinnen des Reha-Service-Büros und der Verwaltung, Pädagogischen Mitarbeitern des Wohnbereichs, Mitarbeiterinnen des Integrationsmanagements, Mensamitarbeitern, Lehrern, Ausbildern ...
Es ist gar nicht so einfach Worte dafür zu finden, um das zum Ausdruck zu bringen, was ihr für uns getan habt.
Ich glaube man kann das nicht mal ansatzweise, jedenfalls kann ich das nicht. Dennoch möchte ich es versuchen und euch, auch im Namen aller Absolventen, sagen: „Vielen Dank!“
Vielen Dank, dass ihr uns jeden Tag aufs Neue ausgehalten habt. Wir waren bestimmt nicht immer einfach und es gab auch Momente, wo es beinahe gekracht hätte oder sogar krachte. Doch ihr habt uns Zeit gegeben, um unseren Kokon abzulegen. Ihr habt uns aufgefangen, wenn wir am Fallen waren und so gut wie ihr konntet unterstützt und meistens noch viel viel mehr.
Dass ihr euch so reingelegt habt, uns in schwierigen Zeiten beistandet und uns nie aufgegeben habt, selbst dann, wenn wir uns schon lange aufgegeben hatten. Vielen vielen Dank!
Ihnen, Herr Kather, gilt auch ein Dank. Es mag nicht unbedingt eine leichte Aufgabe sein, aber trotzdem halten Sie die Mannschafft zusammen und das Schiff auf Kurs.
Und Euch, lieben Mitauszubildenden, möchte ich nur sagen: "Zeit". Zeit ist wertvoll und auch wenn es noch viele interessante Sachen zu entdecken gibt, so werdet ihr euch vielleicht, wie der eine oder andere Absolvent sagen: "Das hätte ich besser machen können". Nutzt die Zeit sinnvoll.
Schaut nach vorne, auch wenn die Wolken in tiefstes Blau gehüllt sind und es donnert und kracht.
Irgendwoher erblicken euch Lichtstrahlen und zeigen euch den Weg! Denn ein Sturm ist auch irgendwann zu Ende und ein neuer Tag beginnt.
Ich hab mir lange überlegt, was ich euch, lieben Absolventen, zum Schluss noch sagen möchte, doch so recht einfach ist es mir nicht geworden. Ihr seid diesen Weg souverän gegangen und habt die Steine aus dem Weg geräumt oder gelernt daraus ein Haus zu bauen.
Ihr habt eure Ausbildung geschafft, ihr habt gekämpft und darauf könnt ihr verdammt nochmal stolz sein. Ihr habt es geschafft, ihr steht heute im Mittelpunkt - ihr habt es euch verdient. Drum lasst uns das heute feiern und genießen!
Vielen Dank